Standing in the shadow of giants: Liam Gallagher im Kölner Palladium

by - Februar 15, 2020


Hier einmal meine persönliche Gallagher-Live-Historie: Oasis habe ich einmal als Band gesehen, kurz vor dem Ende. Bei Noel Gallagher dürften es mittlerweile sechs Konzerte sein, die ich besucht habe, bei seinem Bruder Liam sind es drei, allesamt mit seiner ehemaligen Band Beady Eye, solo hatte ich ihn bis letzten Montag gar nie gesehen. Mein Freund kann natürlich die Zahlen weit übertrumpfen, seine Konzertstatistik lautet (ebenfalls bis zum Montag) 15 - 9 - 3 - 1. Man könnte auch die Frage stellen, wie viele Gallagher-Konzerte ich wohl gesehen hätte, wenn er da nicht die treibende Kraft wäre… allerdings hatte mein Freund wie erwähnt sein bislang einziges Liam „Solokonzert“ ohne mich besucht, so dass ich zumindest in diesem Sinne am Montag eine Livepremiere hatte. Um diese musste ich allerdings ein bisschen zittern, denn einige Tage zuvor war Liams Konzert in Hamburg wegen Stimmproblemen nach einigen Liedern abgebrochen worden – was Erinnerungen daran weckte, dass bei der letzten Tour auch das Kölner Konzert zunächst abgesagt und später nachgeholt worden war. Dieses Mal fand der Termin aber beim ersten Versuch statt.

Liam hat Beady Eye schon lange in den Wind geschickt und arbeitet nach Trennung von Bruder und Band nun mit professionellen Songschreibern zusammen, was mittlerweile zu zwei durchaus erfolgreichen Soloalben geführt hat. Auch wenn sein Konzert im Kölner Palladium nicht ausverkauft war: Die Parkplätze rund um die Halle waren es, was dazu führte, dass wir es relativ spät in die Halle hinein schafften – die sich als sehr gut gefüllt entpuppte. Und anders als in der Live Music Hall sechs Jahre zuvor war die Stimmung der anwesenden Fans bestens. Die Vorband Twisted Wheel stand bereits auf der Bühne und begeisterte zumindest das vorderste Drittel des Palladiums, bei uns hinten wurde noch gedrängelt und Bier gekauft. Selbst Musik vom Band – unter anderem lief „I am the resurrection“ von den Stone Roses – wurde aber im Anschluss - ebenfalls im vorderen, vermutlich dicht mit Engländern besetzten Drittel, überschwänglich abgefeiert.


Von unseren Stehplätzen aus konnte ich leider nur gelegentlich überhaupt einen Blick auf den Sänger erhaschen, was aber auch ohne die vielen großen Menschen vor mir schwierig gewesen wäre. Direkt über Liam streikten nämlich die Scheinwerfer, weshalb man ihn eher als Silhouette wahrnehmen konnte – was meinen fotografierenden Freund in Verzweiflung stürzte. Auch die permanenten "Liam, Liam, Liam!"-Rufe versuchte er nach Oasis-Liedern mit "Noel, Noel, Noel!"-Rufen zu kontern und meinte in Anspielung auf einen Oasis-Albumtitel, es sei doch Liam, der auf den Schultern eines Riesen stünde - beziehungsweise licht-technisch an diesem Abend in dessen Schatten.

Liam Gallagher hat wohl nun endgültig beschlossen, dass er seiner Oasis-Vorgeschichte niemals entwachsen wird, und dass er den Fans eben das gibt, was sie gerne haben möchten. So ist sein aktuelles „Einlauflied“ genau dasselbe wie einst bei Oasis, und das Set begann auch gleich einmal mit einem Oasis-Song, nämlich „Rock’N Roll Star“. Was allerdings nicht heißen soll, dass die Menge ausschließlich Oasis-Lieder hören wollte: Auch wenn diese am lautesten abgefeiert wurden, kamen auch die Solo-Songs gut an, und mein Stehnachbar, ein nicht ganz nüchterner Brite, konnte die Liam-Songs genauso textsicher falsch mitsingen wie die Oasis-Hits!


Nach dem Opener folgte dann eine Reihe eigener Songs. Zu dem zweiten Lied "Halo" hatte ich bei unserer Autofahrt nach Köln angemerkt, dass darin ja ganz schön schief gepfiffen würde. Vor Ort zeigte sich, dass Liam aber gar nicht pfiff, sondern eine kleine Tröte hatte und somit nun zusätzlich zu Tamburin und Maracas ein ein weiteres Instrument beherrscht.

Während beim Einlauflied ein Video von Liam gezeigt worden war und man somit mit zu den Liedern passenden Videoclips hätte rechnen können (wie sie sein Bruder Noel hat), zeigte die Videoleinwand über der Bühne im weiteren Verlauf des Sets Livebilder von der Bühne – wodurch ich immerhin etwas mehr sehen konnte. Nach fünf Liam-eigenen Liedern (Beady Eye hat er offensichtlich aus seinem Back Catalogue getilgt) folgte ein erster Oasis-Songblock mit „Morning Glory“, „Columbia“ und „Stand by Me“. Dann folgten ganze drei weitere eigene Songs, bevor das Konzert endgültig zur Oasis-Cover-Show wurde: Zwei weitere Songs der Band folgten, „Live Forever“ wurde als letztes Lied angekündigt.

Dieser Punkt des Sets ist übrigens auch einer von nur zwei, an denen bei der aktuellen Tour in der Setliste variiert wird - statt dem vorher gespielten eigenen Song "The River" gibt es manchmal einen anderen zu hören, und "Live Forever" wechselt sich mit "Wonderwall" ab. Dabei beschränkt sich Liam bei der Auswahl der live vorgetragenen Oasis-Songs aber sonst keineswegs auf die gängigsten. "Morning Glory" und "Columbia" waren keine Singles, ebensowenig "Gas Panic", das immerhin der beste Song auf dem Album "Standing on the Shoulder of Giants" ist.


Es gab natürlich auch eine (Oasis-)Zugabe: Bei dem Duett "Acqiesce" bekamen die drei mitgebrachten Sängerinnen endlich etwas zu tun und sangen den Teil, der eigentlich Liams Bruder Noel gehört, zu „Roll With It“, „Supersonic“ und „Champagne Supernova“ (letztgenanntes in einer sehr kurzen Version dargeboten) sangen und feierten die Fans, bevor noch ein Rausschmeißer in Form von „Cigarettes & Alcohol“ nachgelegt wurde. Diesen präsentierte Liam, der natürlich das ganze Konzert lang seine Jacke anbehalten hatte, mit zugezogener Kapuze und erinnerte so ein wenig an den „Prominenten im Sack“ aus der 80er Jahre Fernsehshow „Vier gegen Willi“. Nach Ende des Songs, als die Band die Bühne bereits zum letzten Mal verlassen hatte, blieb Liam noch ein bisschen stehen und genoss regungslos den Applaus.

Als Inspiration für den vorliegenden Bericht – denn viel gibt es ja nicht zu erzählen, zumal ich wie immer die wenigsten Ansagen verstanden habe – las ich nochmals meinen letzten Beady Eye-Bericht, in den ich auch aufgenommen hatte, was ich bei einem Konzert-Mitbesucher als die möglichen Zukunftsoptionen für die Band aufgeschnappt hatte: 1. Oasis wiedervereinigen oder 2. professionelle Songschreiber engagieren oder 3. zu einer Coverband für britische Hits werden. Liam muss damals wohl auch mitgehört haben, denn er hat sich offensichtlich für eine Kombination aus 2 und 3 entschieden. Und auch mit der Umsetzung von Option 1 ist er mit der Aufnahme von Oasis-Urmitglied Bonehead in seine Liveband schon einen Schritt weiter gekommen.


Setliste:

(Intro: Fuckin’ In The Bushes)

Rock ’n’ Roll Star
Halo
Shockwave
Wall Of Glass
Come Back To Me
For What It’s Worth
Morning Glory
Columbia
Stand By Me
Once
Why Me? Why Not.
The River
Gas Panic!
Live Forever

Acquiesce
Roll With It
Supersonic
Champagne Supernova

Cigarettes & Alcohol

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