Wir hatten das Thema schon einmal: Eigentlich mag ich Bands nicht gerne mehrmals sehen. Klar, bei grundsätzlich tollen Interpreten ist zumindest bei neuen, guten Albumveröffentlichungen, jedes Mal wieder ein Konzertbesuch fällig. Aber ich bin nicht der Typ, der sich Karten für die halbwegs erreichbaren Stationen einer kompletten Morrisseytournee kauft, so gerne ich ihn auch mag.
Folglich war ich auch nicht begeistert, als ich erfuhr, dass die Stone Roses, für deren großes Reunionkonzert in Manchester ich zu meiner eigenen Überraschung Karten ergattert hatte, anschließend etliche Konzerte in Europa bekanntgaben, die VOR der großen offiziellen Wiedervereinigung stattfinden sollten – und als einer dieser Auftritte beim Hurricane Festival sein sollte, für das ich ebenfalls Karten hatte. Über dieses Konzert berichtete ich ja bereits, aber das Event in Manchester hatte natürlich andere Dimensionen.
Am Wochenende war sie nun, die offizielle Stone Roses Reunion. Eines von drei Konzerten im Heaton Park im Band-Heimatort Manchester, an drei aufeinander folgenden Tagen, vor jeweils 75.000 Zuschauern. Beim Hurricane Festival hätte die Band, wenn jeder einzelne Gast gekommen wäre, immer noch „nur“ 70.000 erreichen können. In Wirklichkeit kam aber nur jeder Siebzigste bis Hundertste ...
225.000 Menschen hatten also dafür bezahlt, eine Band, die seit 1994 nichts mehr veröffentlicht hat, zu sehen, eine für mich unvorstellbare Zahl. Bei unserer Ankunft in Manchester am Samstagmorgen, dem zweiten der drei Konzerttage, sahen wir sie aber schon überall: Menschen in unserem Alter, meistens in Gruppen, in Gummistiefeln und mit Stone Roses T-Shirts. Manchesters Plattenläden haben ihre Auslagen mit Alben der Roses und Bands aus ihrem Umfeld dekoriert, in den Pubs waren alle eifrig mit Vorglühen beschäftigt.
Der Heaton Park, in dem das Massenevent stattfand, liegt relativ weit außerhalb. Aus der Innenstadt konnte man mit Shuttlebussen oder der Straßenbahn anreisen. Als wir uns gegen 15 Uhr der Bahn näherten, warteten hier bereits Massen anderer Konzertbesucher, und bereits nach einigen Haltestellen wurde die Anreise zu einer feucht-fröhlich-gequetschten Saunafahrt.
Im riesigen, abgesperrten Areals des Parks verliefen sich bei unserem frühen Eintreffen die Konzertbesucher nach dem Einlass zunächst einmal. Die Massen an Fress-, Bier- und Merchandiseständen konnten sich mit jedem Festival messen, und auch das Wetter entschied sich, festivalmäßig zu sein und gelegentlich heftige Schauer auf uns niederregnen zu lassen. Die englischen Besucher lösten das Problem der langen Schlangen an den Bierständen, indem immer so viele Becher gekauft wurden, wie man zu tragen in der Lage war.
Am Vortag hatte ich auf Twitter gesehen, dass man für den Raum vor der Bühne ein spezielles Armbändchen benötigte, und wir waren begeistert, als wir ein solches noch bekommen konnten – fühlten uns dann aber weit weniger auserlesen, als wir sahen, wie groß der Vorbühnenbereich war. Die Bändchen wurden auch zwei Stunden später noch ausgegeben.
Das Line-up des Nachmittags sollte folgendermaßen aussehen: Zunächst spielten die mir unbekannten Bands Hollie Cook und Professor Green, dann wie bei allen drei Konzerttagen Ian Browns angebliche Lieblingsband The Wailers, dann Beady Eye und zuletzt natürlich die Gastgeber. Band 1 und 2 ignorierten wir so gekonnt, dass wir nicht einmal Professor Greens Gaststar Lily Allen bemerkten. Für The Wailers begaben wir uns dann notgedrungen vor die Bühne – schließlich wollte man ja bei Beady Eye etwas sehen – und stellten eher überrascht fest, dass die anderen Konzertbesucher mit Reggae deutlich mehr anfangen konnten als wir. Alte Bob Marley Hits wie „I shot the Sherriff“, „Everything’s gona be all right“, „No Woman No Cry“ und „One Love“ wurden durchaus begeistert abgefeiert.
Dann war es Zeit für Beady Eye. Auch Liam Gallaghers Oasis-Nachfolgeband hatte ich bereits live gesehen und verspürte keine gigantische Neigung, das ohne neues Album zu wiederholen, aber immerhin mein Freund war glücklich. Vor 15 Monaten in Köln hatte Liam beim Hallenkonzert einen Parka getragen, den er komplett durchgeschwitzt hatte, beim regnerischen Open Air Festival erschien er in schwarzem T-Shirt mit schwarzer Lederjacke. Auch hier waren nach kürzester Zeit Transpirationsspuren sichtbar, obwohl sich der jüngere Gallagher doch gewohnt wenig auf der Bühne bewegte.
Spannend bei diesem Auftritt war immerhin, dass Beady Eye angekündigt hatten, auch Oasis-Titel zu spielen, was die Band in ihrer bisherigen Karriere verweigert hatte. Kurz zuvor hatten Beady Eye ein Warm-Up-Gig gespielt, da sie dieses Jahr zuvor noch keinen Auftritt bestritten hatten, und so war durchgesickert, dass es tatsächlich zwei Oasis-Songs in die Setliste geschafft hatten. Und in der Tat erklang nach „Four Letter Word“, „Beatles and Stones“, „Bring the Light“ und dem neuen Song „World not set in Stone“ als erster Oasis-Hit „Rock ’n’ Roll Star“ – mit einer Widmung an „the one and only Ian Brown“. Der Unterschied war frappierend: Während das betrunken-gutgelaunte Publikum um uns herum die Beady Eye-Songs wohlwollend aufgenommen hatte, wurde „Rock’n Roll Star“ mit Enthusiasmus und beeindruckender Textsicherheit der Masse abgefeiert. An Stelle der Band wäre ich über diesen Resonanzunterschied, der sich später bei „Morning Glory“ genauso wiederholte, alles andere als erfreut gewesen. Zu deutlich wurde, dass Beady Eye als Oasis-Ersatz akzeptiert wird, aber mehr auch nicht. Und angesichts des Qualitätsunterschieds der eigenen Songs gegenüber den alten Hits ist das auch mehr als verständlich, denn höchstens „The Roller“ konnte sich, auch im Hinblick auf die Reaktion des Publikums, mit den beiden Noel-Kompositionen messen.
Vor „Morning Glory“ hatte uns Liam Gallagher noch versichert, dass es ihm eine „fucking honour“ sei, vor „the best fucking band in the world“ zu spielen. Worte, die man ihm abnehmen darf, denn schließlich war er Gast der Stone Roses bei den ersten Konzerten in Warrington und Barcelona. Den Abschluss des rund 45minütigen Auftritts bildete eine sehr lange Version von „Sons Of The Stage“, zu der Liam sich ungewohnt volksnah präsentierte und unterhalb der Bühne reichlich Hände schüttelte.
Setliste:
Four Letter Word
Beatles And Stones
Bring The Light
World Not Set In Stone
Rock ’n’ Roll Star
The Roller
Standing On The Edge Of Noise
Wigwam
Morning Glory
Sons Of The Stage
Mit dem Abspielen des Supremes-Hits „Stoned Love“ (den um uns herum ebenfalls viele mitsingen konnten) war es dann so weit für den Stone Roses-Auftritt – mit wesentlich mehr Dramatik und Jubel als in Scheeßel betraten Ian Brown, John Squire, Reni und Mani die Bühne. In deren Hintergrund wurden, zu den bereits bei den Vorbands im Einsatz gewesenen riesigen LCD-Leinwänden seitlich der Bühne, zehn weitere, bewegliche enthüllt, so dass ein riesiger Raum um die Bühne herum wahlweise die Band, die von drei Kameras aufgenommen wurde, oder andere Bilder, wie Plattencover oder die obligatorischen Zitronen, zeigen konnte.
Das Publikum war größer, die Stimmung besser, die Bühne beeindruckender, aber die Setliste wich nur in einigen Details von der bereits gehörten ab. Wie gehabt begann alles mit „I Wanna Be Adored“, doch von Ian Browns Gesang war kaum ein Ton zu hören - nicht weil er so schlecht sang, sondern weil er vom Publikum komplett übertönt wurde. Nach den folgenden „Mersey Paradise“, „(Song For My) Sugar Spun Sister“ und „Sally Cinnamon“ flachte die Stimmung bei den nächsten, mit einigen B-Seiten versehenen Songs etwas ab. An einem Abend, an dem die Stone Roses ihr Debütalbum komplett spielen, darf man sich eigentlich nicht über die Songauswahl beschweren, anmerken darf man aber dennoch, dass mit „Elephant Stone“, „What The World Is Waiting For“, „One Love“ und „Begging You“ gleich vier Singles keine Berücksichtigung fanden.
Spätestens mit „Fools Gold“, das an diesem Abend noch mal ein paar Minuten länger gespielt wurde, war dann alles wieder in Ordnung. Fast schon gruselig fand ich, dass Ian Brown auch dieses Mal „Don’t Stop“, das nahtlos aus „Waterfall“ hervorgegangen war, gesanglich wieder völlig versemmelte, im Anschluss bot er zu „Love Spreads“ eine deutlich besser funktionierende Rapeinlage. Bei den häufig extrem langen Gitarrensoli konnte John Squire seine Klasse zeigen, und Mani durfte am Ende von „Standing Here“ mit einem Basssolo glänzen, für das er von Ian Brown geknuddelt wurde.
Die folgenden „Made Of Stone“, „This Is The One“ und „She Bangs The Drums“ führten beim Publikum zu enthusiastischer Begeisterung, die sich auch im Abbrennen von Bengalischen Feuern äußerte.
Eine angenehme Überraschung war, dass die Band auch ihr im Stil extrem untypisches und superkurzes „Elizabeth My Dear“ spielte, begleitet von Kritik an der Königin durch Ian Brown, die ich im Detail nicht verstanden habe.
Zuletzt konnten wir dann auch wieder das bewährte und allseits mitgesungene „I Am The Resurrection“ genießen, dann umarmten sich die vier Bandmitglieder zunächst ausgiebig, um sich gemeinsam am Bühnenrand stehend mit dem Ausruf „We are fucking back!“ zu verabschieden.
Alles vorbei? Nur beinahe, denn nun erklang aus Lautsprechern Bob Marleys „Redemption Song“ während hinter uns am Rande des Konzertareals ein riesiges Feuerwerk abgebrannt wurde.
Als wir uns im anschließenden beachtlichen Gedränge Richtung Bahn treiben ließen, erläuterte hinter mir ein Engländer seinem Kumpel, dass er nach diesem Ende keine Zugabe gewollte habe, es sei so einfach gut und komplett gewesen. Da kann man ihm nur zustimmen - auch, wenn ich im Mittelteil die Setliste geändert hätte.
Setliste:
I Wanna Be Adored
Mersey Paradise
(Song For My) Sugar Spun Sister
Sally Cinnamon
Where Angels Play
Shoot You Down
Bye Bye Badman
Ten Storey Love Song
Standing Here
Fools Gold
Something's Burning
Waterfall
Don't Stop
Love Spreads
Made Of Stone
This Is The One
She Bangs The Drums
Elizabeth My Dear
I Am The Resurrection
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