Letzten Freitagabend hatten mein Freund und ich die Gelegenheit, erstmalig das "neue" Zoom, das mittlerweile in den ehemaligen Cocoon Club gezogen ist, zu besuchen. Was eine beinahe philosophische Frage auslöste: Im alten Zoom Club nahe der Zeil hatten wir bereits viele Konzerte besucht (zuletzt anscheinend kurz vor der Pandemie die Jeremy Days), im Cocoon Club wenigstens eines (Ladytron, vor mittlerweile 14 Jahren). War dieses nun also eine Location-Premiere? Höchstens in der Kombination der beiden Veranstaltungsorte.
Unsere Vorfreude, nach so langer Zeit ein Konzert in dem bekannten Club mit der von Andreas Gursky berühmt gemachten Löcherwand zu besuchen, wurde allerdings gleich nach dem Eintreffen geschmälert: Der eigentliche Clubbereich war mit Absperrbändern unzugänglich gemacht worden (wie sich später zeigte, fand hier am späteren Abend eine Halloween-Party statt), wir wurden mit den anderen Konzertbesuchern in die Bar umgeleitet. Dort gab es eine kleine Bühne in der Ecke, vor der sich auch schon, so gut es in dem beengten Bereich eben ging, viele Konzertbesucher eingefunden hatten. Was für eine Enttäuschung - diese Location war gegenüber dem "alten" Zoom definitiv eine Verschlechterung.
Wir hatten nicht mit einer Vorband gerechnet, bekamen aber dennoch eine: Greatest Hits stammen wie der Hauptact aus Australien (angestrengt überlegte ich, welche Musiker aus Australien - außer Nick Cave und INXS - ich eigentlich kenne). Das Trio um Gründer Ryan Cooper eröffnete sein Set im Publikum, wo man sich hintereinander aufstellte und synchron sprang / tanzte. Die Tanz-Sache blieb auch im restlichen Auftritt ein Faktor - mein Freund mutmaßte, das weibliche Mitglied, das als Instrumente lediglich einen Tamburin und einige Trommeln zugeordnet bekommen hatte, habe wegen dieser Unterbeschäftigung sicher bei jedem Lied vorgeschlagen, noch eine Choreographie einzuüben.
Ob das nun stimmt oder nicht, das Trio wirkte hochenthusiastisch und brachte den Besuchern seinen 70er Jahre Sunshine Pop erfolgreich nahe - es gab viel Applaus des in der Mehrheit recht jungen Publikums, und teilweise wurde sogar mitgesungen.
In der Umbaupause erkannten wir, dass das Line-Up auch einige Exil-Australier ins Zoom gelockt hatte, die sich hinter uns lautstark über diverse andere Konzertbesuche unterhielten - und die Tatsache, dass es in Deutschland leichter sei, Konzerte australischer Bands zu besuchen als in ihrer Heimat.
Man merkt, ich verstehe grundsätzlich anscheinend noch Englisch, diese Auffassung wurde vom nun beginnenden Hauptact aber auf die Probe gestellt - vieles von dem, was Sänger und einziges Dauermitglied David Le'aupepe im Laufe des Abends von sich gab, konnte ich nämlich schlicht nicht verstehen - anderes wiederum sehr gut. Jedes dritte Wort war in jedem Fall "fucking".
Weitestgehend verstanden habe ich die Ankündigung von "Kansas", in der Le'aupepe erläuterte, dass Dorothy aus dem "Wizard of Oz", deren Haus bei ihrer Ankunft die böse Hexe des Ostens erschlägt, in seinen Augen eine Mörderin ist, außerdem kann er den feigen Löwen nicht leiden. Er verwies außerdem auf ein Lou Reed-Album, das wir uns unbedingt alle daheim anhören sollten - leider weiß ich aber nicht, welches.
Das Set drehte sich um das aktuelle Album der Band, "Angel in Realtime", sieben der insgesamt zwölf gespielten Lieder stammten davon. Gang of Youths gibt es nämlich, auch wenn mir das mal wieder entgangen war, bereits seit 11 Jahren, allerdings wurden in diesem Zeitraum nur drei "richtige" Alben veröffentlicht.
Leider waren wir mit dem Sound nicht ganz zufrieden - besonders zu Beginn war der Gesang viel zu leise, und beim von Le'aupepe solo am Keyboard vorgetragenen "Brothers" (mit einem wirklich sehr interessanten Text) schepperte es wiederholt aus Richtung des dahinter aufgebauten Schlagzeugs. Regelrecht entsetzt war mein fotografierender Freund über die Lichtverhältnisse - es war gleichzeitig dunkel und neblig - so sehr, dass wir uns manchmal Sorgen machten, dass die kleineren Mitglieder der sechsköpfigen Band durch den bewegungsfreudigen und gleichermaßen großen und breitschultrigen Sänger übersehen und umgerannt werden könnten.
Einen echten Fremdscham-Moment erlebten wir bei "Let Me Down Easy": Vor uns war eine junge Frau bereits vorher von ihrem Freund bei der gestellten Tätigkeit "ich tanze sehr begeistert bei einem Konzert" gefilmt worden (kurz vorher hatten die beiden sich in die erste Reihe gedrängelt), das reichte ihr für die Instagram-Follower dann aber offenbar noch nicht: Sie erklomm kurzerhand die Bühne und tanzte nun hier herum. David Le'aupepe tanzte ein wenig mit ihr, was aber - insbesondere im Vergleich dazu, dass er im Verlauf des Auftritts bereits Publikumsmitglieder umarmt und geknuddelt hatte - eher zögerlich wirkte. Ein Roadie wollte die Frau offenbar nicht von der Bühne zerren, forderte sie aber verzweifelnd bittend auf, sich zu verziehen. Was sie dann nach einer Abschiedspirouette mit Le'aupepe irgendwann zum Glück auch tat.
Das offizielle Set endete mit "In the Wake of your Leave", wobei wir bereits vorher erfahren hatten, die Band werde selbstverständlich Zugaben geben, wenn dies durch das Publikum gewünscht sei. Selbiges brachte den Zugabenwunsch dann nicht wie gewohnt durch anhaltenden Applaus zum Ausdruck, sondern dadurch, dass man das Mitsingen des letzten Songs immer weiter führte, bis die Musiker schon wieder auf der Bühne standen.
Insgesamt wirkte das Publikum ausgesprochen begeistert, was wir angesichts der Tatsache, dass die Band in Deutschland nicht furchtbar bekannt sein dürfte, gar nicht erwartet hatte. Auch ältere Sons wurden mitgesungen.
David Le'aupepe erklärte gegen Ende, man werde gerne wieder kommen und dann im großen Saal spielen - vielleicht war also auch er ein wenig unzufrieden mit der Bühne in der Bar. Diese schaffte es tatsächlich, die Nachteile des "alten" Zooms (teilweise schwierige Bühnensicht, schummerige Beleuchtung) noch zu erweitern durch schlechten Sound. Es wäre auch wünschenswert, wenn bei Ankündigung von Konzerten im Zoom darüber informiert würde, wo diese genau stattfinden.
Setliste:
The Heart Is a Muscle
The Angel of 8th Ave.
Tend the Garden
Kansas
Brothers
Forbearance
The Kingdom is within you
Let Me Down Easy
In the Wake of your Leave
Magnolia
Goal of the Century